Kalabrien vom 24.11.2023 – 27.11.2023
Manchmal verlangt das Leben, dass wir handeln, auch wenn die Herausforderung überwältigend scheint.
Mit dieser Einstellung machten wir uns auf den Weg nach Kalabrien, um einer engagierten Tierschützerin und 22 wehrlosen Welpen zu helfen.
Die Tage vor unserer Reise waren geprägt von Organisation:
Flugbuchung, Packlisten und detaillierte Planung – alles, um vor Ort bestmöglich unterstützen zu können.
Am Freitagmorgen starteten wir in Zürich. Nach einem Zwischenstopp in Rom erreichten wir am späten Nachmittag Lamezia Terme. Hier wurden wir herzlich von Marialuisa empfangen, der guten Seele des örtlichen Tierschutzes.
Während der einstündigen Fahrt nach Taurianova erzählte sie uns von ihrer Arbeit und den Herausforderungen in der Region. In unserer bescheidenen Pension angekommen, besprachen wir bei einem Kaffee die Pläne für die kommenden Tage. Die Schwere der bevorstehenden Aufgabe lag in der Luft.
Dann hiess es um 0.30 Lichterlöschen.
Leider ist es in Süditalien oft so, dass die Gemeinden nicht helfen. Sie fühlen sich offenbar nicht verantwortlich. Da wundert man sich nicht, dass das Thema Strassenhund in Süditalien und auch in so vielen andern Ländern, den privaten Tierschützern oder Tierschutzvereinen überlassen wird.
So wie auch in dem kleinen Ort Taurianova in Kalabrien, wo unsere liebe Marialuisa und ihr Team tätig sind.
Marialuisa ist unsere gute Seele vor Ort, wenn es darum geht, die heimatlosen Hunde, die auf der Strasse leben zu versorgen.
Es gibt gewisse Hunde, die kann man nicht vermitteln. Entweder, weil sie zu teritorial oder zu traumatisiert sind. Diese werden dann von unserer Tierschutzhelferin Marialuisa täglich besucht und gefüttert.
Der Anlass unserer Reise war ebenso dringlich wie außergewöhnlich. Marialuisa berichtete uns bereits im Vorfeld, dass zwei Maremmano-Hündinnen innerhalb weniger Tage insgesamt 22 Welpen zur Welt gebracht hatten. Die eine Hündin ein paar Tage vorher und die andere ein wenig später. Nun... eine Herausforderung.
Was macht man mit 22 Welpen die keiner möchte? Es war einfach unglaublich. Marialuisa hatte zahlreiche Tierschutzvereine kontaktiert, doch niemand war bereit, zu helfen. Diese Gleichgültigkeit war schockierend. Nicht einmal einen Sack Futter wurde von einen dieser Tierschutzvereine zur Verfügung gestellt. Marialuisa weitete ihren Hilferuf aus... Bis in den Norden von Italien. Leider immer noch erfolglos. Wir beschlossen, selbst einzugreifen und den Tieren eine Chance zu geben. Unser Ziel war klar: Die Welpen in Sicherheit bringen, die Mutterhündinnen kastrieren zu lassen und sie so gut wie möglich zu unterstützen.
Wir waren entsetzt über soviel Gleichgültigkeit. Es ist uns bewusst, dass Hilferufe an der Tagesordnung sind. Aber 2 Hündinen mit sage und schreibe 22 Welpen, die schutzlos der kälte ausgeliefert waren, das war einfach unbegreiflich.
Deswegen, buchten wir einen Flug und haben Marialuisa versprochen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um diese armen schutzlosen Geschöpfe retten zu können.
Marialuisa und ihr Team hatte zuvor versucht es den beiden Hundemammas und ihren Welpen, so angenehm zu machen wie nur möglich. Es war ein Wettlauf mit der Zeit.
Beide Mütter lebten auf einem Privatgelände, wo sie nicht geduldet wurden. Die Welpen begannen bereits, herumzulaufen, und die Gefahr, dass sie von Autos erfasst würden, war groß. Doch es war nicht nur die unmittelbare Bedrohung – auch die Versorgung der Hunde stellte ein riesiges Problem dar. Die Region ist arm, und Hilfe von offizieller Seite gab es keine.
Da dies wild lebende Hunde sind und nicht an Menschen gewohnt sind, konnte man die beiden Hündinnen nicht einfach so einfangen und irgendwo unterbringen.
Geduldig musste man abwarten, bis die jungen weitestgehend abgestillt waren, damit man diese der Mutter wegnehmen durfte. Ja dies hört sich grausam an, aber unter solchen Umständen muss man schauen, was man retten kann und was nicht.
Der Samstag begann früh. Um 6:30 Uhr klingelte der Wecker. Ja wir sind nicht zum Spass oder für Ferien hier.
Marialuisa und ihr Team kamen zu uns in die Pension und wir frühstückten zusammen.
Es war relativ ruhig am Tisch.... Wir wussten was auf uns zukam. Sehr viel Emotionen, Schmerz und Leid. Können wir dies mit unserer Anwesenheit und unserer Arbeit ein wenig lindern....? Wir werden schauen, was wir tun können.
An diesem Tag haben wir eine Bestandesaufnahme gemacht und uns das Bild vor Ort angeschaut. Uns war klar, dass dies eine untragbare Situation ist und diese süssen Fellknäuel unter keinen Umständen dort bleiben können.
Marialuisa hat bereits im Vorfeld überall herumtelefoniert, ob eventuell jemand diesen Wesen einen temporären Unterschlupf bieten könne.
Zu gross war aber die Angst der Bevölkerung, dass man schlussendlich auf diesen Hunden sitzen würde. Jeder hat abgelehnt.
Schlussendlich hat sich eine bekannte private Tierschützerin von Marialuisa bereit erklärt, diese Wesen aufzunehmen.
Die Freude war riesig.
Wir gingen also zu Manuela der besagten Tierschützerin nach Hause. Sie konnte nur zusagen, da ihr Lebenspartner zu dieser Zeit gerade auf Arbeitssuche war und die beiden sich zum Glück 24 Stunden am Tag um diesen Welpen kümmern konnten.
Wir haben die Wohnung auf den Kopf gestellt. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Viele von Euch haben sicher einmal einen Welpen zuhause gehabt und können sich an die anstrengende Zeit erinnern. Aber sich um 22 Welpen zu kümmern, grenzt schon an ein Wunder.
Natürlich haben wir den lokalen Tierladen aufgesucht und haben uns mit Welpenpippi Mätteli eingedeck, sowie Futter, Näpfe, Decken, weiche Bettchen, Spielsachen und vorallem auch Medikamente gegen Endo- und Ektoparasiten.
Desweiteren konnten wir unzählige Kartons auftreiben, damit wir Abtrennungen in der Wohnung vornehmen konnten.
Denn die beiden Würfe mussten getrennt voneinander gehalten werden. Wir kamen an unsere Grenzen und ich wollte mir nicht ausmalen, welches Chaos in den nächsten Tagen auf Manuela und ihren Lebenspartner zukam. Ich habe gebetet, dass die Kraft und die Geduld sie in den nächsten Wochen nicht verlässt.
Und dann nicht zu vergessen, wie anstrengend es ist, wenn der Vermittlungsprozess läuft. Um die Vermittlung kümmert sich Marialuisa. Die ganzen Vorkontrollen organisieren, Fragebogen von den potenziellen Adoptanten auswerten, Gespräche führen mit den Adoptanten, dann die kleinen reisebereit machen, wie zum Tierartz bringen für die Impfungen, Chip etc. Und zu guter Letzt dann noch die Transporte organisieren. Und wenn die Hunde ankommen ein paar Wochen danach noch intensiven Kontakt mit allen Adoptanten zu pflegen..... Aber ja das kommt dann später. Jetzt weiter im hier und jetzt.
Nervös machten wir uns auf den Weg, den einen Wurf abzuholen. Dies ist ein nicht gerade ein einfachses Unterfangen. Wie würde die Mutterhündin reagieren? Würde sie uns anfallen? Würden wir es überhaupt schaffen, ohne verletzt zu werden?
Wie man oben erkennen kann, haben wir es geschafft. Da die beiden Mutterhündinnen bereits ein wenig Vertrauen zu den Helfern gewonnen haben in den letzten Wochen, waren wir doch sehr erstaunt, dass sie uns die Welpen entnehmen liess. Ich glaube sie konnte spüren, dass wir hilfe boten und ihre Babys nicht einfach so wegnehmen würden, sondern ihnen Schutz und Liebe geben würden. Wir gaben ihr ein Versprechen.... Wir würden alles in unserer Macht stehende tun, um diese liebevollen Wesen in die besten Familien zu vermitteln.
Also fuhren wir los, die hälfte der Bande hinten im Kofferraum und die übrigen auf den Rücksitz.
Wie man oben erkennen kann, ist die eine Rasselbande wohlauf angekommen und erkunden mal einen kleinen Bereich von ihrem neuen Zuhause. Die Wohnung wurde kurzerhand in eine provisorische Pflegestation umgewandelt.
Die Welpen wurden gebadet, entwurmt und mit farbigen Halsbändern versehen, um sie auseinanderzuhalten. Der Anblick, wie sie zum ersten Mal warm und sicher schliefen, erfüllte uns mit tiefer Dankbarkeit.
Auch am Sonntag klingelte der Wecker um 06.30.
Ich kam kaum aus dem Bett, denn es wurde gestern schon sehr spät. Aber die Aufregung, war so gross, dass das Aufstehen dann doch mühelos klappte.
Wir trafen uns wieder zum z'Morge in der Pension und waren heute etwas optimistischer wie gestern. Würde die zweite Welpenentnahme auch so einfach klappen, wie die von gestern?
Wir waren zuversichtlich.
Auch hier verlief die Rettung ohne Zwischenfälle. Mit viel Geduld und Abklenkungsmanöver ist es uns gelungen auch den zweiten Wurf mitzunehmen und in Sicherheit zu bringen. Es war beeindruckend zu sehen, wie viel Vertrauen die Mutterhündinnen hatten. Die Welpen wurden erneut zu Manuela gebracht, wo die Routine vom Vortag wiederholt wurde.
Die beiden Würfe mussten getrennt gehalten werden, was zusätzliche Herausforderungen mit sich brachte. Doch mit vereinten Kräften schafften wir es, die Wohnung entsprechend vorzubereiten. Am Ende des Tages waren wir erschöpft, aber erleichtert, dass auch diese Mission erfolgreich verlaufen war.
Am Nachmittag nutzten wir die verbleibende Zeit, um mit Marialuisa über die generellen Herausforderungen des Tierschutzes in Kalabrien zu sprechen. Die Situation vor Ort ist oft entmutigend, aber ihre Entschlossenheit und Hingabe gaben uns Mut.
Wir tauschten uns über mögliche Lösungsansätze aus und überlegten, wie wir sie langfristig besser unterstützen könnten.
Auch der Sonntag ist sehr schnell vorbeigegangen. Nach getaner Arbeit wieder dasselbe…
Duschen und für das Nachtessen bereit machen.
Wir haben diese Tage gemeinsam Revue passieren lassen. Wir wahren komplett erschöpft aber unglaublich dankbar und auch ein wenig Stolz, dass wir all unsere Erwartungen erfüllen konnten.
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Auch heute sind wir wieder nach Mitternacht ins Zimmer gekommen. Dieses Mal gelang es mir etwas schneller einzuschlafen, denn ich war wirklich fast im Koma. Jeder der mal solche Helfereinsätze gemacht hat, weiss von was ich spreche. Ich bewundere unsere privaten Tierschützer vor Ort, dass sie dies Tag für Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr durchstehen.
Herzlichen Dank hiermit an alle Helden im Tierschutz!
Langsam war es soweit und wir mussten unsere sieben Sachen wieder packen und unsere Reise in die Schweiz antreten.
Am Montag hieß es Abschied nehmen. Der Rückflug in die Schweiz war geprägt von gemischten Gefühlen: Stolz und Erleichterung über den Erfolg unserer Mission, aber auch Trauer über das Leid, das so viele andere Hunde weiterhin ertragen müssen.
Im Flugzeug ließ ich die vergangenen Tage Revue passieren. Die Bilder der Welpen, wie sie fröhlich spielten, aber auch die traurigen Augen der Mutterhündinnen, als wir ihre Jungen mitnahmen, begleiteten mich. Solche Einsätze sind nicht nur physisch anstrengend, sondern auch emotional belastend. Doch genau diese Momente sind es, die uns antreiben weiterzumachen.
Zu emotional sind all die Erlebnisse um die Schicksale der Hunde die wir jeweils vor Ort treffen. Zu belastend die Gedanken an all die Hunde, die den Weg nicht in unserer oder eine andere Auffangstation gefunden haben und Tag für Tag ums Überleben kämpfen müssen. Und den Kampf so oft letztlich unter unwürdigen Umständen verlieren.
Doch es gab auch Hoffnung, siehe Nachtrag.
Einige Wochen nach unserer Rückkehr erreichten uns positive Nachrichten. Die Welpen entwickelten sich prächtig in ihren neuen Familien. Bilder von glücklichen, spielenden Junghunden und dankbaren Adoptanten ließen unsere Herzen höherschlagen.
Ebenso wurden die beiden Hundemammas erfolgreich kastriert und medizinisch behandelt. Da die beiden Hündinnen sehr scheu sind, wurden sie wieder in ihr gewohnten Umfeld gebracht und werden täglich von unserem Team in Kalabrien gefüttert und regelmässig gegen Parasiten behandelt. Die Hündinnen gewöhnten sich mehr und mehr an den Kontakt mit Menschen und zeigen inzwischen weniger Scheu.
Diese Erfolge sind ein Lichtblick in einer oft düsteren Realität. Doch sie erinnern uns auch daran, dass noch viel zu tun bleibt. Der Einsatz in Kalabrien war nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein, aber jeder Tropfen zählt.
Hier ein paar Wochen später. Die Hündinnen sind gesund und haben noch etwas mehr Vertrauen zu Marialuisa gewonnen.
Dieser Einsatz hat uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, nicht wegzusehen.
Jede kleine Hilfe – sei es eine Spende, eine Stunde Arbeit oder einfach nur Aufmerksamkeit – macht einen Unterschied. Marialuisa und ihr Team sind wahre Helden des Alltags, die oft unter schwierigen Bedingungen arbeiten und dabei nie den Glauben an das Gute verlieren.
Unser Appell an alle: Für unsere Fellnasen in Kalabrien gibt es noch viel zu tun. Gemeinsam sind wir stark!